Projektwettbewerb Oberwil, Root, 2021
Ortsbau
Das Rontal ist zum einen geprägt vom Siedlungsraum im Talboden entlang der Reuss und der Ron, zum anderen von der Kulturlandschaft an den Nordwesthängen des Rooter Berges. Einzelne Gebäude und kleine Baugruppen, begleitet von Obst- und Landschaftsbäumen, liegen verstreut in den Wiesenflächen. Die vom Rooter Berg zum Talboden fliessenden Bäche werden begleitet von dichten Vegetationsstrukturen und verzahnen die Kulturlandschaft mit dem Siedlungsraum. Die Baugruppe Oberwil liegt oberhalb der Schulanlage etwas abgesetzt vom Siedlungskörper. Gemeinsam mit dem landschaftlich geprägten Umfeld, den bestockten Bachläufen und den Wiesenflächen ist sie Teil der Kulturlandschaft. Auch die geplanten Veränderungen, der Umbau der Kaplanei und die neuen Wohngebäude verändern diese Lesart des Ortes nicht. Die Baugruppe bleibt Teil des Landschaftsraumes, liegt ausserhalb des Siedlungskörpers und wird allseitig von einem landschaftlichen Umfeld geprägt. Sie wird ergänzt und gestärkt durch zwei Baukörper. Direkt an die Oberwilstrasse, etwas zurückversetzt zur Kaplanei, ist leicht abgedreht ein kleines, schlankes Haus platziert. Zusammen bilden sie den Vorplatz und den Zugang zum gemeinsamen Aussenraum und prägen den Vordergrund der Gebäudegruppe um die Kaplanei. Zurückversetzt in der zweiten Bautiefe ist ein zweiteiliges Volumen zum Geländeverlauf in den Hang eingebettet. Während sein Kopfbau den Massstab der beiden Gebäude an der Oberwilstrasse übernimmt und mit ihnen den gemeinsamen Aussenraum säumt, fügt sich der leicht weggedrehte Längsbau zwischen Hecke und Hang ein. Der landschaftliche Raum mit dem bestehenden Garten auf der Ostseite der Kaplanei bleibt unverbaut.
Architektur
Analog zur historischen Bebauung an der Oberwilstrasse steht auch das kleine Haus giebelständig zur Strasse. Über dem massiven Sockelgeschoss sind die beiden Ober- und das Dachgeschoss holzsichtig und unbehandelt verkleidet und nehmen sich gegenüber der Kaplanei in ihrer Gestaltung vornehm zurück. Das im Hintergrund stehende zweiteilige Gebäude ist aus der Typologie von ländlichen Ökonomiegebäuden entwickelt. Es steht auf einem massiven, leicht einspringenden Sockelgeschoss, ist in einem dunkleren braungrau lasiert und wird aus ein paar wenigen Elementen zusammengesetzt: Vertikale Schalung mit Deckleisten die gleichzeitig die Geländer der Lauben bilden, horizontal umlaufende Holzgesimse sowie ein einziger Fenstertyp. Das flach geneigte Dach ist mit Photovoltaikpaneelen eingedeckt. Alle ausser drei Wohnungen sind drei- bis vierseitig orientiert. Die Bewohner haben Sichtbezug zum Tal wie auch zur idyllischen, beinahe unversehrten Bergseite. Zusätzlich haben die Wohnungen im Erdgeschoss direkten Zugang in die Umgebung. Auf welcher Seite der Lebensmittelpunkt mit Essbereich, Küche und Balkon befindet, ist in den meisten Wohnungen wählbar.
Umgang mit der historischen Bausubstanz
Die ehemalige Kaplanei ist in mehreren Bauetappen entstanden. Als erstes Schulhaus von Root ist die Kaplanei von lokalhistorischer Bedeutung und im Bauinventar des Kanton Luzern als schützenswert eingestuft. Die originale Bausubstanz der alten Kaplanei soll im Äussern und im Innern möglichst erhalten bleiben. Die Nutzungsverteilung mit den drei Wohnungen erlaubt es, die hauptsächlichen Interventionen auf die kleinen Kammern des Hinterhauses (Sanitärräume) und den westlichen Annexbau (Vertikalerschliessung) zu beschränken.
Erschliessung
Der Zugang zur neuen Gebäudegruppe erfolgt über den an die Oberwilstrasse angrenzenden Vorplatz. Von dort aus werden die die Fahrräder (der Wohnungen an der Oberwilstrasse) sowie die Motorfahrzeuge der gesamten Überbauung direkt ohne Rampe in den Veloraum respektive in die Einstellhalle geleitet. Zudem ist dort auch die Entsorgung untergebracht. Die Fussgänger und die Velofahrer des Längsbaus erreichen ihr Ziel über den Zugangsweg zum gemeinsamen Aussenraum. An diesen sind alle Häuser ebenerdig angeschlossen. Ebenfalls direkt am Aussenraum befindet sich der Gemeinschaftsraum, ein Atelier sowie die Spielbereiche und Familiengärten. Die hindernisfreie Erschliessung des oberen Neubaus wird über die Einstellhalle ermöglicht. Zudem sind alle Hauszugänge ab einem Gäste- / IV-Parkplatz im Hof stufenlos erreichbar. Der zweite Gästeparkplatz befindet sich in der Einstellhalle.
Landschaft
Der Aussenraum der Baugruppe fügt sich nahtlos in die Landschaft ein. Alle baulichen Elemente, wie kleine Stützmauern, Treppenaufgänge oder in Hartbelag ausgebildete Eingangsbereiche und Podeste stehen direkt mit den Gebäuden in Verbindung und sind auf das Notwendigste reduziert. So kann die Landschaft ohne harte räumliche Grenzen die Bauten umfliessen. Mittig innerhalb der Baugruppe liegen die Erschliessungen der Gebäude und auch der gemeinschaftliche Freiraum im Grünen. Die sehr einfache und schlichte Ausgestaltung dieses hofartigen Raumes referenziert den landschaftlichen Kontext und schafft ein naturnahes Wohnumfeld mit viel Spielraum für eine Aneignung. Die für bauliche Elemente und befestigte Flächen verwendeten Materialien - Kies, Naturstein, Beton - sind sehr bewusst aus dem landschaftlichen Kontext ausgewählt. Die Kiesflächen sind mit einer festen zementgebundenen Tragschicht stabil aufgebaut und gut sickerfähig. Entwässerungsrinnen aus Natursteinpflaster leiten noch anfallendes Oberflächenwasser seitlich in Grünflächen ab. Das Dachwasser wird über Rohrretentionen in den Hagenmattbach eingeleitet. Die Gewässerräume erhalten eine ökologische Aufwertung. Neophyten werden entfernt und die Bachbestockung wird mit standorttypischen einheimischen Heckenpflanzen und Krautsäumen ergänzt.
Wirtschaftlichkeit
Die klar strukturierten Grundrisse und die kurzen, gleich gerichteten Spannweiten beider Gebäude lassen ökonomische Holzbauten zu. Sollte dies das Budget für Mietwohnungen übersteigen, sind auch holzverkleidete Massivbauten denkbar. Da der Zugang zu den Treppenhäusern im talseitig freien Untergeschoss erfolgt, sind darüber drei identische Wohngeschosse möglich. Dies hat zur Folge, dass neben den Lauben auch alle Küchen und Nassräume übereinander liegen und mit wenig Steigzonen erschlossen werden können. Zudem sind diese gut im Untergeschoss mit dem Technikraum zu erschliessen. Total 17 grosszügige Wohnungen erfüllen den angestrebten Wohnungsmix und verfügen über Keller und Nebenräume, die dem Eigentumswohnungsstandard angemessenen sind. Unter dem Kellergeschoss liegt die statisch abgestimmte, kompakte Einstellhalle. Die sehr ökonomische Bauweise des Längsbaus lässt eine voraussichtlich notwendige Quersubventionierung der Umbaukosten der Kaplanei zu.
Nachhaltigkeit
Die kompakten, einfach strukturierten Holzbauten mit optimierten Spannweiten können energieeffizient erstellt werden, was gegenüber einer Massivbauweise zu einer Reduktion der grauen Erstellungsenergie führt. Die auf dem Längsbau vorgesehene Photovoltaikanlage ist in der Lage, 150'000 kWh Energie/Jahr zu produzieren. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch pro Wohnung von ca. 3'000.- kWh/Jahr besteht die Möglichkeit, Fahrzeuge zu laden und weitere Gebäude in der Umgebung zu versorgen. Mit der vorgesehenen kontrollierten Lüftung können die Neubauten als Passivhäuser geplant werden. Für die Lüftungsgeräte, Wärmepumpen und Warmwasserspeicher ist ein genügend grosser Technikraum vorgesehen. Die Kaplanei wird mit einer zusätzlichen Wärmepumpenheizung mit Erdsonden versorgt.