Studienauftrag Unterbrüglen, Baar, 2024
ORTSBAU UND KONZEPT
Die im historischen Kern bis ins 17. Jahrhundert zurück reichende Hofgruppe «Unter Brüglen» im Ortsteil Blickensdorf der Gemeinde Baar zeigt sich heute als historisch gewachsene Gebäudegruppe mit verschiedenen Bauten, die sich durch ihre Bauweise und Struktur klar von den Zeitzeugen und ihrer ursprünglichen Nutzung abheben: Vom Dorfkern im Osten und Norden, den angrenzenden Siedlungen der Agglomerationen und den neuzeitlichen Wohnquartieren im Nordwesten. Das Ensemble mit dem Bauernhaus, der ehemaligen Sennhüitte, der Stallscheune und der Mosti ist strukturbildend und identitätsstiftend für den Ort. Zusammen mit den ergänzenden Neubauten kann so im Nebeneinander von alt und neu ein wunderbarer neuer Wohnort entstehen. Dabei orientiert sich das Konzept an einer Hofgruppe oder einem Weiler und nicht am Dorfkern, der agglomerativen Bebauung im Süden oder den Einfamilienhäusern im Norden. Die fünf vorgeschlagenen neuen Volumen orientieren sich in ihrer Setzung nicht einer streng geometrischen Anordnung, sondern reagieren auf den Ort und fügen sich in die vorgefundene Topographie und weisen keine Wiederholung in Typologie, Ausdruck und Atmosphäre auf. Wie die Bestandsbauten entwickeln die ergänzenden Neubauten jeweils ihre unverwechselbare Identität. Ein neues, zusammenhängendes weilerartiges Quartier mit hochwertig verdichteter baulicher Entwicklung soll der kleinteiligen Struktur des Gebietes folgen.
BEBAUUNGSKONZEPT UND ERSCHLIESSUNG
Mit dem neuen “Hofhaus” im Norden entsteht zusammen mit der Scheune, dem Bauernhaus und der Mosti ein Ensemble, das eine neue Hofsituation schafft. Es bildet den Auftakt in das neue Weilerquartier. In seiner Höhe und Grösse fügt sich das Hofhaus an den Bestand. Der undifferenzierte Hof wird zu einem Ort der Begegnung. Dabei vereint das Hofhaus folgerichtig die Öffentliche Nutzungen auf dem Areal.Über die Steinhauserstrasse und den Unterbrüglenweg erfolgt die Zufahrt nordseitig ins “Hofhaus”, in die ebenerdige Einstellhalle. Weiterhin ist im Erdgeschoss eine Kindertagesstätte vorgesehen. Die Filterschicht der Fassade spiegelt die Staffelung der Öffentlichkeit zur Privatheit wieder. Die dreispännig organisierten Wohngeschosse sind aufgrund der Zonierungen der Wohnungen und der Formulierung der Zimmer flexibel gestaltbar. Dadurch sind diese besonders für Nutzer geeignet, welche die Gesellschaft suchen und die gute Anbindung an das öffentlichen Verkehr schätzen.
In der Ebene im Südwesten wird das “Werkhaus” entlang des Unterbrüglenwegs gesetzt, das Wohnhaus “zur Laube” markiert im Westen den Endpunkt der Wohnanlage. Das “Werkhaus” bekommt eine wichtige gemeinschaftliche Bedeutung zugewiesen. Mit dem Gemeinschafträumen im Erdgeschoss sowie dem Werkplatz wird Platz geschaffen für verschiedenste gemeinschaftliche Ereignisse: Sommerfeste, Geburtstagsfeiern, Veloreparatur-, oder Kochkurse. Die dreispännig organisierten Wohngeschosse eignen sich aufgrund ihrer Grössen vorwiegend für Familien und Familien, die verstärkt in der Gemeinschaft leben möchten. Das Wohnhaus “zur Laube” bildet mit seinem fein ziselierten Ausdruck den westlichen Abschluss im weilerartigen Wohnquartier. Wie im ländlichen Umfeld üblich, erscheint es mit seiner Giebelfassade zur Landwirtschaftszone. Eine lange Laube im Süden verschafft dem kompakten Haus eine besondere Note. Das Haus ist für Natur- und Gartenliebhaber geradezu prädestiniert. Die kleineren Wohnungen eignen sich für jung gebliebene Paare, Pensionäre oder Menschen mit einem besonderen Bezug zur Natur.
Der nordseitige Hang erfährt aufgrund seiner Topographie und der unmittelbaren Nachbarschaft im Norden eine besondere Aufmerksamkeit. Das Reihenhaus “Limonaia” nutzt die südseitige Hanglage aus und formuliert eine Struktur, die sich an Zitronen-Gewächshäuser orientiert. Die komplett geöffnete Südseite kann für verschiedene Gewächse genutzt werden. Eingeladen sind hier vornehmlich Familien mit einer Affinität zum Gärtnern. Dagegen zielt das Wohnhaus “im Stöckli” auf Paare und vor allem Familien ab, die sich eine komfortable Wohnung mit viel Aussenraum-, und Naturbezug wünschen ohne lästige Gartenarbeit. Die flexibel organisierten Wohnungen im Zweispänner können sich den Veränderungen innerhalb der Familie anpassen und sind daher für viele Zielgruppen attraktiv.
Trotz der unterschiedlich formulierten Neubauten in der Hofgruppe gibt es auch Gemeinsamkeiten, die in der Gesamtheit und mit dem Bestand als ein grosses Ganzes erscheinen: Alle Häuser haben Satteldächer und mit Ausnahme des Werkhauses, das aufgrund seiner Lage und Funktion mit einer Fassade aus Welleternit bekleidet ist, werden alle Neubauten in einem Vollholzsystem oder als Massivbau mit einer Holzverkleidung vorgeschlagen.
UMGANG MIT SCHEUNE UND MOSTI
Die Struktur der bestehenden Scheune bleibt erhalten. Die Stallungen im Erdgeschoss eignen sich aufgrund der kleinen Öffnungen nicht zum Wohnen, weshalb hier Wohnungseingänge mit gedeckten Sitzplätzen, Ateliers, Werkräume und Waschküchen vorgesehen sind. Die Wirtschaftlichkeit eines vollständigen Ausbaus des Dachraumes muss in der weiteren Planungsphase untersucht werden.
ERSCHLIESSUNG
Das neue Wohnquartier wird komplett autofrei gestaltet. Die ebenerdig organisierte Einstellhalle im Nordosten wird über die Steinhauserstrasse / Unterbrüglenweg innerhalb des Hofhauses erschlossen. Damit verschwindet der motorisierte Verkehr im nördlichen Hang. Die Einstellhalle unterhalb der Wohnhäuser "Limonaia" und "im Stöckli" erschliesst direkt das "*Hofhaus", das Stöckli sowie “zur Laube”. Bewohnende des "Limonaia" können den Ausgang zum Stöckli oder zur Scheune wählen und die interne Arealerschliessung nutzen. Bewohnende des "Werkhauses" nutzen den Ausgang zur Scheune und gehen über den Werkplatz zum Haus. Fussgänger und Velofahrer können das Areal über den neuen Hof und den Hofweg queren oder den bestehenden Unterbrüglenweg im Süden nutzen. Über die bestehende Auffahr im Norden können die Wohnhäuser "Limonaia" und "im Stöckli" separat erschlossen werden. Der neue Hofweg bietet mit seinen Aufweitungen und Verengungen innerhalb der Wohnanlage für Bewohnende wie auch Besuchende spannende und informelle Aussenräume für verschiedene Zwecke an.
FREIRAUMKONZEPT
Der historische und räumliche Kern mit Hofplatz und angrenzenden Garten- und Grünflächen bleibt trotz neuem Hofhaus in seiner Bedeutung erhalten. Die Vorgartenzone des Bauernhauses wird erweitert und Hausplätze mit Sitzmöglichkeiten, Hofbrunnen und Eiche unterstützen diese altbekannte Szenerie. Der Hofplatz selbst ist nicht mehr Rangierplatz, sondern Begegnungsort, der durch den Werkplatz westlich der Hofeinfahrt ergänzt wird und ausreichend Fläche und Freiraum für eine vielfältige gemeinschaftliche Nutzung und Aneignung anbietet. Mögliche Gemeinschaftsgärten südlich von “Limonaia” und der Scheune ergänzen dieses Angebot. Jedes Gebäude erhält, abgestimmt auf seine Individualität, Vorplätze, Vorgärten oder Gartenzimmer, die im hausnahen Bereich individuell gestaltet werden können. Spiel- und Extensivwiesen sorgen für ausreichend «Grün» in den Zwischenbereichen. Begleitet von klein- und mittelkronigen Bäumen wird die Hofgruppe selbst ausreichend durchgrünt aber auch ein fliessender Übergang zur offenen Weidelandschaft geschaffen. Am nördlichen Parzellenrand sorgt eine Wildhecke mit locker eingestreuten Gehölzgruppen neben einer ökologischen Aufwertung für einen adäquaten Übergang zu den dahinterliegenden Privatgärten. Die Hausplätze beim Bauernhaus und “zur Laube“ haben gepflästerte Vorzonen und grosszügige Stauden- und Blumengärten. Die Gartenzimmer und Vorplatzbereiche von Scheune, "Werk- und Hofhaus", "Limonaia", "m Stöckli", Mostiplatz sowie steile Fusswege sind mit sickerfähigen Kies-Betonbelägen ausgestaltet. So sind die Übergänge zu den angrenzenden chaussierten Belägen fliessend. Mittels feiner Nuancen innerhalb des Oberflächenmaterials kann die Zonierung ausgezeichnet werden. Markante Solitärbäume wie Eiche, Linde, Espe und Kastanie setzen auf Hof- und Hausplätzen Akzente, während Vogelbeeren, Weissdorn, Hagenbuchen und Spitzahorn wegbegleitend sind. Den Abschluss bzw. Übergang von der Hofgruppe zum Landschwirtschaft bilden Obstbäume in einer Extensivwiese.
WIRTSCHAFTLICHKEIT UND NACHHALTIGKEIT
Bereits die Organisation der ebenerdigen Einstellhalle im Nordhang mit einfachsten Anbindungen an "Hofhaus", zur Scheune (gedeckter Ausgang), "im Stöckli" und "zur Laube" hat einen grossen wirtschaftlichen Vorteil. Die Lage der Einstellhalle erlaubt auch eine grosse Flexibilität in der Etappierung des neuen weilerartigen Wohnquartiers.
In Zusammenarbeit mit
blgp architekten ag, Luzern