Generationen Projekt Buchrain Dorf, 2018
KONTEXT / ORTSBAU
Ein historischer Situationsplan von 1845 zeigt die Strasse, die von Ebikon das Dorf Buchrain erschliesst und über die Unterdorfstrasse zurück nach Ebikon führt. Die Abzweigung nach Perlen war zu diesem Zeitpunkt von untergeortneter Bedeutung, zumal die Reussbrücke nach Inwil und auch der Reusskanal noch nicht erstellt waren. Entlang dieser Strassenschlaufe ist eine leichte Verdichtung von Bauten ersichtlich ohne, dass ein ordnendes Bebauungsmuster auszumachen ist. Klar erkennbar ist das Siedlungsbild eines Haufendorfs. Obwohl die Einwohnerzahl seither markant gestiegen ist, blieb das Dorfzentrum von starken baulichen Eingriffen verschont. Die historisch wichtigsten öffentliche Bauten wie Kirche, Gasthaus und altes Schulhaus prägen auch noch heute das Dorfbild, insbesondere auf der Westseite der Hauptstrasse. Diese Ausgangslage bildet die Grundlage, um aus dem Bestand heraus einen unverkennbaren Ort mit einer eigenen Identität zu entwickeln. Der erste bauliche Schwerpunkt im Konzept liegt an der Unterdorfstrasse, welcher geprägt ist durch die Schule, das Einkaufszentrum und den Bushaltestellen des öffentlichen Verkehrs. Hier, am öffentlichsten Ort des Dorfes, wird mit dem neuen Dienstleistungszentrum aus Verwaltung, Mehrzweckraum, Bibliothek und Ludothek ein hochwertiger Treffpunkt geschaffen. Vis a vis der Schule wird im Erdgeschoss des nächsten Gebäudes die Schulergänzung eingefügt, Der Belag des Vorplatzes des neuen Gemeindehauses wird über die Strasse fortgeführt und stellt die Verbindung zum Einkaufszentrum Tschannhof her. Hier sind auch die beiden Bushaltestellen integriert. In einem nächsten Schritt wird auf der Ostseite der Hauptstrasse das Gemeindehaus zurückgebaut und der Dorfkern durch drei Wohnhäuser ergänzt. Bezüglich Körnung und Materialisierung (Holzverkleidung) sind die Häuser aus dem Kontext heraus entwickelt. In der Setzung wird die Sonderstellung des unter Schutz stehenden Gasthauses Adler Rechnung getragen. Unmittelbar vor dem historischen Gasthaus entsteht der neue Dorfplatz, der eine Brücke zur anderen Strassenseite herstellt. Das Generationenprojekt Buchrain soll mit der Umbenennung der Hauptstrasse zur Oberdorfstrasse namentlich sichtbar gemacht werden. Mit der Setzung eines weiteren Wohn- und Gewerbehauses an der Unterdorfstrasse entsteht zusammen mit dem Adler ein ruhiger, den Hotelgästen und Bewohnern vorbehaltener, geschützter Garten. Im rückwärtigen Bereich befinden sich weitere Wohnbauten die zusammen einen Hofbilden und von der kleinteiligen Struktur an der Oberdorfstrasse zum grossmassstäblichen Bestand überleiten.
ERSCHLIESSUNG
Mit der unterirdischen Parkierung wird das neu gestaltete Dorfzentrum vom motorisierten Verkehr entlastet. An den beiden Dorfeingängen im Osten und Westen wird der Verkehr in die Tiefgarage geleitet. Mit Ausnahme der Häuser entlang der Oberdorfstrasse sind alle weiteren Wohnhäuser, das Dienstleistungszentrum und der Gasthof Adler direkt an die Einstellhalle angebunden, Für den Langsamverkehr ist das neue Dorfzentrum sehr durchlässig. Die strassenübergreifenden Plätze an der verkehrsberuhigten Ober- und Unterdorfstrasse verknüpfen das Dorfzentrum zu den angrenzenden Quartieren und bieten das Flanieren entlang der Hauptstrassen an. Andererseits durchzieht ein attraktives und engmaschiges Fuss- und Velowegnetz den Projektperimeter und schafft kurze und hindernisfreie Wege zu allen wichtigen Zielen. Die Wege sind mit den umliegenden Quartieren vernetzt und garantieren die für ein Dorfzentrum notwendige Durchlässigkeit.
NUTZUNGEN
Die öffentlichen Nutzungen sind entlang der Ober- und Unterdorfstrasse platziert. Mit dem Gasthaus Adler, dem Bistro im Spycher, den lauschigen Terrassen und dem angrenzenden Wohn- und Gewerbehaus entsteht in einem historischen Umfeld der neue Dorfplatz. Demgegenüber bereichert das Dienstleistungszentum die öffentliche Zone des Dorfes (ÖV), sie schafft den Übergang zum Tschannhof und markiert mit seiner markanten Erscheinung den alten Dorfkern an der Unterdorfstrasse. Vom Gemeindehausplatz zum Dorfplatz führt der Weg entlang der Gemeindebibliothek mit den Aussenplätzen des Cafés, Auf’ der anderen Seite des Gemeindehauses führt der Fussweg zum Neubau mit schulergänzender Nutzung vis a vis vom Schulhaus. Das Wohnungsangebot wird in zwei unterschiedlichen Bautypologien organisiert. Entlang der Ober- und Unterdorfstrasse stehen kleinere Wohnhäuser des Typus «Haus mit einem gemeinsamen Garten», Sie sind vorwiegend als Mietwohnungen konzipiert. Am Wohnhof sind die Mehrfamilienhäuser hauptsächlich als Eigentumswohnungen entwickelt, mit zweiseitigen Loggien oder privaten Gartensitzplätzen. Das sehr vielfältige Angebot von Wohnungen ist eine gute Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Generationenprojekts Buchrain Dorf.
AUSDRUCK UND MATERIALISIERUNG
In Ausdruck und Erscheinung entwickeln sich die neuen Gebäude aus dem Kontext heraus oder entsprechen ihrer Funktion. An der Oberdorfstrasse wird der historische Dorfkern mit den Gesetzmässigkeiten des Haufendorfes weiterentwickelt. Die drei unterschiedlich gestalteten Fassaden der Holzhäuser sind aus dem Bestand heraus entwickelt. Diese Subtilität im Ausdruck schafft einen unverkennbaren Ort mit einer eigenen Identität. Das Mehrfamilienhaus an der Unterdorfstrasse folgt im Ausdruck und Materialisierung den Nachbarbauten an der Oberdorfstrasse. Der Tradition des Gasthaus Adler folgend wird der Anbau in einer modernen Interpretation des Holzbaus vorgeschlagen. Das Dienstleistungszentrum bildet mit einer expressiven Gebäudeform und einer eigenwilligen Materialisierung seine Nutzung und Bedeutung im Dorf ab. Die grossen Nutzungen werden geschickt in ein mehrschichtiges Bauvolumen integriert. Das Erdgeschoss mit den Arkaden ist aus beigefarbenem Jurakalkbeton materialisiert, darüber erhebt sich die beigegraue Klinkerfassade. Im Ausdruck erscheint es als öffentliches Gebäude im neuen Dorfzentrum. Den Wohnhof charakterisieren zwei Bautypolgien, die unterschiedlich materialisiert und gegliedert sind. Die Längsbauten mit ihren feingliedrigen Loggiazonen werden in Holzbauweise vorgeschlagen. Dem gegenüber erscheinen die Punktbauten mit feinen beigegrauen mineralischen Putzfassaden. Sie werden in Massivbauweise erstellt. Die unterschiedliche Bauweise und Materialisierung sowie die unterschiedliche Ausformulierung der Loggien schafft eine wohltuende heterogene Erscheinung, die Monotonie im Quartier vermeidet.
FREIRAUM
Der Dorfplatz spannt sich zwischen dem alten Schulhaus und dem Gasthaus Adler auf, Er markiert das historische Zentrum mit den markanten alten Gebäuden und Raumkammern. Schwellenlos dehnt sich dieser fussgängerdominierte Platzraum mit wenigen Kurzzeitparkplätzen bis zur lauschigen Kanzel beim Spycher hin aus, wobei die schöne Aussenterrasse des Adlers unter dem Baumdach erhalten bleibt und mit einem offenen Vorplatz und Brunnen ergänzt wird. Der Vorplatz des Dienstleistungszentrums verbindet das Einkaufszentrum mit dem neuen Gemeindehaus. Es entsteht eine dynamische Drehscheibe mit Bushaltestelle, Ankommen, Durchlaufen und Verweilen. Der neue Brunnen unterstreicht die Bedeutung des Gebäudes mit seinen vielfältigen öffentlichen Nutzungen. Ein grosser ebenerdig flankierender Veloschopf optimiert die Nutzungsqualität der nicht motorisierten Besucher. Der bestehende Schulhausplatz steht auch für Festanlässe wie die Chilbi bereit. Ein neu eingefügter chaussierter mit Bäumen bestückter Platzteil bietet frei nutzbare Stuhlgruppen für der Aufenthalt. Auch die flankierende Treppe mit Sitzstufen kann Treffpunkt und Lernort sein oder als kleine Arena für Vorführungen dienen. Rampen verbinden Dorfplatz und Schulhausplatz, ergänzt mit Liftanlagen in den flankierenden Gebäuden sind alle Raumebenen auch für Rollstuhlfahrer ohne Unterstützung erreichbar. Der Weg vom Dienstleistungszentrum vorbei an der Kanzel in den Wohnhof ist nahezu ebenerdig. Entlang dieser Wegverbindung öffnen sich ebenerdige Nutzungen über informelle und halböffentliche Vorzonen in den allgemeinen Freiraum. Leseplateaus vor der Bibliothek, ein kleines Aussencafé, Sitzecken für Mitarbeiter und Gäste, Ausstellungsgegenstände oder Kübelpflanzen beleben den Raum. Der grosse Wohnhof bietet allen anstossenden Wohngebäuden einen einmaligen. Gemeinsam nutzbaren Freiraum mit Spielmöglichkeiten, Treffpunkten und kommunikativen Vorbereichen. Einzelne Bäume beschatten und gliedern den Raum.
Die der Strasse folgenden Bauten werden von der verkehrsberuhigten Strasse aus erschlossen. Ins Dorfzentrum hinein öffnen sich grosszügige Gartenräume, die mit Nutzgärten, Fruchtbäumen und Spielbereichen aktiviert werden können. Schmale Wege machen auch diese Räume erlebbar. Die Ränder zur westseitigen Überbauung, zum grossen Rasenplatz und nördlich des Gemeindehauses sind begrünte Übergangszonen. Über dem neuen Ortszentrum schwebt die Idee, das ehemals bewusst in die Landschaft integrierten Haufendorfes in die Gegenwart zu entwickeln. Entstehen soll ein attraktives, intensiv durchgrüntes und auf die Topographie antwortendes Gefüge von Bauten und Freiräumen, das Lust macht auf Zusammenleben.
SOZIALRÄUMLICHE PERSPEKTIVE
Mit den vorgeschlagenen baulichen Strukturen werden Identifikations- und Möglichkeitsräume gestärkt und geschaffen, die von den Nutzern, den Bewohnern und der Bevölkerung auf unterschiedliche Weise, abhängig von den jeweiligen Bedürfnissen angeeignet, genutzt und gestaltet werden können. Vielfältige Aufenthalts- und Erholungsmöglichkeiten im Aussenraum erhöhen die Lebensqualität im Dorfkern von Buchrain. Insbesondere die vorgeschlagene Gestaltung im Bereich der Oberdorfstrasse / Gasthaus Adler wertet die bisherige Situation auf und unterstreicht die Bedeutung des Gasthauses Adler als Identifikationsort im Zentrum von Buchrain. Die Situierung des Diensleistungszentrums mit dem Vorplatz schafft eine Verbindung Richtung Tschannhof und ermöglicht die unkomplizierte Erledigung von Einkauf, Verwaltungsgängen sowie Nutzung von Bibliothek, Ludothek und Mehrzweckraum. Der Schulhausplatz wertet den Aussenraum des angrenzenden Schulhauses auf und steht bei Bedarf der Bevölkerung von Buchrain für grössere Anlässe wie der Chilbi zur Verfügung. Die Freiräume sind so konzipiert, dass sowohl Begegnungs- als auch Rückzugsmöglichkeiten gewährt sind und sich öffentliche, halböffentliche und private Nutzungen nicht konkurrenzieren. Als Beispiel sei der private Wohnhof im Bereich der Wohnbauten erwähnt. Die Durchwegung bietet, je nach Bedürfnissen der Nutzenden, Möglichkeiten auf verschiedenen Längs- und Querverbindungen sowie mit Liften zu den einzelnen Gebäuden zu gelangen beziehungsweise das Gelände zu durchqueren. Als Begegnungs- und Ausruhemöglichkeit stehen im öffentlichen und halböffentlichen Bereich Nischen und Bänke zur Verfügung.
In Zusammenarbeit mit
blgp architekten ag, Luzern
BNP Landschaftsarchitekten GmbH, Luzern
TEAMverkehr.zug AG, Zug
Visualisierung
nightnurse images gmbh, Zürich