Studienauftrag Münsterstrasse 7, Sursee, 2023
ORTSBAULICHES KONZEPT, VOLUMETRIE UND TYPOLOGIE
Das ortsbauliche Konzept knüpft an die Nachbarsiedlung (Gestaltungsplan) der Münstervorstadt Ost an und führt die daraus entstehende Geometrie weiter. Mit der Setzung der beiden Baukörper an die beiden Strassenzüge Münsterstrasse und St. Martinsgrund entsteht in ihrer Mitte ein grosszügiger Grünraum fürs ganze Quartier.
Das Münsterhaus nimmt mit dem mittig gelegenen, fünfgeschossigen Baukörper die Volumetrie und Höhen der Nachbarvolumen im Osten auf. Erweiterungen in nördlicher und südlicher Richtung vermitteln in ihrer Höhe zur umliegenden Nachbarschaft und gliedern das Volumen. Der südlich vorkragende dreigeschossige Baukörper nimmt die Strassenführung der Münsterstrasse auf. Mit dem anschliessenden Zurückweichen des orthogonalen Hauptkörpers wird eine klare Eingangssituation gebildet. Durch die Sockelausbildung mit Vordach wird der öffentlichere Charakter des Erdgeschosses hervorgehoben. Der nördlich vorkragende Baukörper ist viergeschossig und vermittelt zum Vorstadtgarten. Das Haus Martin übernimmt die Geometrie des Münsterhauses und dreht sich nach Überschreiten der Parzellengrenze so aus, dass die nördliche Fassade parallel zum St. Martinsgrund zu liegen kommt. Trotz der grenzscharfen Trennung innerhalb des Gebäudes in zwei Einheiten wirkt es von aussen als ein Gesamtvolumen, das sich durch die Abdrehung parallel zum St. Martinsgrund subtil ins ortsbauliche Gefüge eingliedert. Im Süden nimmt das Volumen die Höhe des Gebäudes an der Münsterstrasse auf und vermittelt mit dem Geschossversatz im Norden zu den umliegenden Gebäuden am St. Martinsgrund. Durch die Geometrie bildet das Volumen selbstverständlich den Hauseingang an der konkaven Seite zum Marktplatz und öffnet sich sanft zum grünen Vorstadtgarten. Auf seiner konvexen Seite und begleitet die Nord-Süd-Verbindung durch den Vorstadtgarten.
Die beiden Gebäude ordnen sich in die Typologie des auch in Sursee vorhanden Vorstadthauses ein. Dabei nehmen sie typische Elemente auf, wie die Auszeichnung des Sockelgeschosses, den Sockelabschluss mit einem horizontalen Band und einem markanten Dachabschluss. Die beiden Gebäude unterscheiden sich einzig in ihrer Volumetrie sowie im Öffnungsgrad des Sockelgeschosses. Mit den grosszügigen Fenstern des Gebäudes an der Münsterstrasse wird die halböffentliche Erdgeschossnutzung betont, wohingegen beim Gebäude am St. Martinsgrund bei der privaten Wohnnutzung mit kleineren Fenstern reagiert wird.
NUTZUNGSVERTEILUNG UND ORGANISATION
Die verschiedenen Nutzungen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen sind durch die Setzung und Aufteilung der Volumina klar platziert:
Die altersgerechten Mietwohnungen und die Erstnutzung durch das Altersheim befinden sich im Münsterhaus. Die Erschliessung erfolgt ab der Münsterstrasse über den Hausplatz Münster zur Eingangshalle, von wo aus man die beiden Treppenhäuser, die Gewerbe- und Dienstleistungsnutzungen, den Wasch- und Scooterraum sowie den Gartenausgang erreicht. Zwei Treppenhäuser, ein Drei- und Fünfspänner, erschliessen die 28 Wohnungen in den Obergeschossen. Die zweiseitigen Ausrichtungen der 3.5 Zi-Wohnungen garantieren über die Diagonale Grosszügigkeit, aber auch interessante Zonierungen ohne Korridorwirkung. Die halb innenliegenden, halb aussenliegenden Balkone generieren den Bezug nach Aussen mit genügendem Schutz vor Wind, Sonne und Einblick. Die Bewohner können zusätzlich zu ihren privaten Balkonen den Grünraum im Erdgeschoss und die Terrassen im 3. und 4. Obergeschoss nutzen.
Die Erschliessung des Haus Martin erfolgt ab dem St. Martinsgrund über den Hausplatz Martin zum Haupteingang, von wo aus man das Treppenhaus, die drei Erdgeschosswohnungen sowie den Gemeinschaftsraum und den Gartenausgang erreicht. Die 12 Eigentumswohnungen der Estermann Immobilien AG liegen im Süden des Baukörpers am St. Martinsgrund auf insgesamt 6 Geschossen. Je nach Bedürfnis können pro Geschoss 2 4.5 Zi-Wohnungen oder eine 3.5 Zi- und eine 5.5 Zi-Wohnung generiert werden. Die 9 Wohnungen der Korporation Sursee liegen im nördlichen Teil des Baukörpers. Pro Geschoss kann eine 2.5 Zi- und 3.5 Zi-Wohnung angeboten werden. Der Gemeinschaftsraum im EG sowie die Dachterrasse mit Aussicht auf die Altstadt von Sursee komplettieren das Angebot und dienen als geschätzter Treffpunkt für die Bewohner.
FREIRAUMKONZEPT
Freiraumkonzept – Das baulich heterogene Umfeld wird als Chance gesehen, wertvolle und wichtige bestehende Grünräume wie den Klostergarten, den Grünraum der Alterssiedlung und den Beckenhof mit freiräumlichen Mitteln zu verbinden und das vorhandene Wegnetz dichter zu knüpfen: im Zentrum des Areals ergänzt eine grosszügige Gartenanlage mit Parkcharakter als weiterer grüner Trittstein den Grüngürtel am Altstadtgraben.
Dieser grüne Freiraum mit attraktivem Begegnungsplatz ermöglicht sowohl individuell als auch kooperativ nutzbare Qualitäten: Flächen für Begegnung und Aufenthalt, für Spiel und Aktivitäten mit grossem Potential zu spontanem, nachbarschaftlichem Austausch. Die Steigerung der Ortsqualität fördert die Identifikation mit dem Umfeld und damit die Belebung des Quartiers. Analog diesen örtlichen und sozialräumlichen Qualitäten sind Kriterien der Ökologie und Nachhaltigkeit konzeptbestimmend; sie umfassen die Pflanzen- und Materialwahl, ein nachhaltiges Regenwassermanagement, die Förderung der Biodiversität wie auch einen ressourcenschonenden (extensiven) Unterhalt. Die Einbindung und des Ortes wird unterstützt durch räumlich klare und attraktive Adressierungen der Neubauten, wie auch der Einbindung bzw. Ergänzung begrünter Strassenräume zur Vernetzung mit der umliegenden Münstervorstadt sowie direkte Anbindungen an die Altstadt.
ERSCHLIESSUNG
Den Auftakt zur Erschliessung der Neubauten bilden offene, grosszügige Hausplätze: mit Veloinfrastruktur, Sitzmöglichkeiten und Schattenbaum ausgestattet bieten sie für Kurzaufenthalte und Begegnungen attraktive Möglichkeiten. Ein abwechslungsreiches, abseits der Strassen im Grünen verlaufendes Fusswegnetz schafft Verbindungen zwischen Quartierteilen und Hauptachsen und erschliesst das grüne Innere der Liegenschaft, den «Münstergarten».
Vom direkt an diesen neuen Grünraum angrenzenden, in sich geschlossenen Demenzgarten des Alterswohnheims ist der Zugang zum Münstergarten möglich (Törchen); weitere Aus- oder Zugänge sind bedarfsweise möglich. Die Wege im Areal sind in wassergebundenen Belägen (Chaussierung) und fein abgestreut, sodass sie hindernisfrei begeh- und befahrbar sind (Rollstühle, Rollator). Der motorisierte Verkehr wird direkt ab Münsterstrasse über eine kurze Zufahrt in die Tiefgarage geführt. Die Besucherparkplätze sind in Randbereichen so angelegt, dass Grün- und Fussgängerflächen weitestgehend nicht tangiert werden.
ERSTNUTZUNG ALTERSZENTRUM
Mit wenigen zusätzlichen Interventionen finden 72 Bewohner auf den 4 Wohngeschossen Platz. In der Regel können Einzelzimmer mit grosszügigen Aufenthaltsräumen angeboten werden. Die allgemeinen Räume wie Wohnen, Essen und Stationszimmer liegen in der mittleren Wohnung und verbinden so die beiden Treppenhäuser miteinander, was kurze Wege und einen einfachen Betrieb ermöglicht. Im Erdgeschoss können neben der Verwaltung auch beispielsweise ein Café und Aktivitätsflächen für die Bewohner angeboten werden.
ENERGIE UND NACHHALTIGKEIT
Der Anschluss an die Fernwärmeheizung, die Bestückung der Dächer mit Photovoltaikanlage und der Regenwassertank im Bereich der alten ESH-Rampe St. Martinsgrund sind eine gute Ausgangslage, um im weiteren Planungsprozess eine gute Energiebilanz und Nachhaltigkeit zu erreichen. Der Vorschlag, die Fassade als Zweischalenmauerwerk mit möglichst kleinem Betonanteil auszubilden, hilft den grauen Energieanteil zu minimieren und dient zusätzlich als Speichermasse. Die Reduktion der Anzahl Fenster (möglichst ein Fenster pro Raum) begünstigt die Möblierbarkeit und den sommerlichen Wärmeschutz. Beschattung über Stoffmarkisen und Balkonvorhänge komplettieren die Anforderungen und integrieren sich gut ins Farb- und Materialkonzept der Gebäude. Die Raumluftqualität könnte über Zuluft mittels in den Fenstern integrierte Nachströmöffnungen und mit Abzug über die Sanitärräume reguliert werden. Bei den Kochstellen könnten Umluftabzugshauben eingesetzt werden. Die Leitungsführung der Lüftung ist über örtlich heruntergehängten Decken angedacht, damit eine gute Zugänglichkeit und Reinigung gewährleistet werden kann. Die Verwendung von eco Bau zertifizierten Ecomur Bauteilen und energieeffizienten Farbbeschichtungen wie z.B. Dura face Farben sind nur zwei Beispiele wie die Umsetzung der geforderten und sinnvollen Nachhaltigkeit erfolgen könnte. Die Untergeschosse sindmöglichst unter den Gebäuden angeordnet, mit Ausnahme der zweibündigen Einstellhalle.
In Zusammenarbeit mit
blgp architekten ag, Luzern
Ernst und Hausherr Landschaftsarchitekten BSLA, Illnau
Visualisierung
Pyxel GmbH, Luzern